Gutshof Kraatz, Uckermark, Brandenburg

Gutshof Kraatz

Um ein Haar hätte ich mir die Zunge verbrannt. Verführerisch und aromatisch nach einer Mischung aus Apfel, Birne und Zitrone duftet der frisch gebackene Quittenkuchen, der noch heiß-dampfend an den Tisch gebracht wird. »Wahrscheinlich schmeckt er so lecker, weil die Bäckerin mit viel Liebe gute Zutaten wie frische Quitten, uckermärkische Butter, Quark, Mehl, Eier und sizilianische Mandeln verwendet hat«, verrät die freundliche Bedienung in der heimeligen Weinschänke des »Gutshof Kraatz« auf Nachfrage. Ein Blick auf die hoch aufgestapelten Obstkisten im Gastraum offenbart, dass Quitten hier auch zu flüssigen Schmankerln verarbeitet werden. Im kleinen Hofladen präsentiert Gastgeber Florian Profitlich seine regionalen Schätze. Aus alten Obstsorten gewinnt der Quereinsteiger prämierte Weine, Säfte, Brände und Liköre.

Wie manch andere Großstädter, suchen auch Florian Profitlich und seine damalige Frau vor über 20 Jahren nach einem Wochenendhaus »zum Spielen«, erzählt der Architekturfotograf lachend. Auf einem ehemaligen Gut in der hügeligen Landschaft der Nordwestuckermark entdecken sie einen 150 Jahre alten Getreidespeicher, den die Wahl-Berliner mit ökologischen Materialien und historischen Baustoffen denkmalgerecht sanieren. Mit dem Gefühl, angekommen zu sein, verwandeln sie wenig später die angrenzende, baufällige Kutschenremise in eine lichterfüllte Ferienwohnung mit bodentiefen Rundbogenfenstern und großem Atelier. Jahrelang beobachtend, wie Nachbars Äpfel vom Baum purzeln, fragen sie sich: Warum nur historische Anwesen retten, nicht aber die alten, aromatisch wertvollen Obstsorten, die uns verloren gehen, wenn wir sie nicht mehr nutzen? Als in der Region eine Mostpresse und zwei Jahre später eine denkmalgeschützte Scheune zum Verkauf stehen, reagiert Florian Profitlich prompt und beginnt, sich akribisch in die Welt des Apfelweinmachens einzuarbeiten.

Gelbgrün bis tiefrot, getupft oder gesprenkelt, mal prächtig-prall, mal dellig-deformiert. Regennasse Äpfel aller Couleur schmücken an einem grauen Herbsttag die Holztische auf dem Hof. Wie die Uckermark schmeckt, erlebt man als Gast des »Gutshof Kraatz« hinter der blauen Eingangstür, die von alten Back- und Feldsteinen umrahmt in die wohlig-warme Gastwirtschaft führt. Ein Stück weiter den Weg entlang rankt eine Kletterrose zwischen taubenblauen Fensterläden am Schwalbenhaus empor. Im alten Bauernhaus, stilgetreu im Zeitgeist der 30er Jahre - samt knarzender Schaukelstühle vorm knisternden Kamin - eingerichtet, fühlen sich besonders Großfamilien und Freundesgruppen wohl. Gut möglich, dass Ewald Arenz seine »Alten Sorten« im Arbeitszimmer der nebenan liegenden Remise geschrieben hat. Der inspirierend schöne Raum mit dem Schreibtisch aus uckermärkischer Eiche und zusätzlichem Tageslicht von oben hat allemal das Zeug zum Bestseller. Mein Blick fällt auf ein paar heruntergefallene Äpfel unter den Obstbäumen im Garten: Ob es morgen frisch gebackenen Apfelkuchen gibt?



hiersein-Themen

natur

  • Schutz durch Nutzung: Um die einzigartige Kulturlandschaft der Uckermark zu bewahren, startet Florian Profitlich mit dem Keltern alter Most- und Wirtschaftssorten, die nicht nur aromatischer sind als heutige Zuchtsorten, sondern auch besonders erhaltenswert. um die genetische Vielfalt zu bewahren
  • Das Obst wie Äpfel, Birnen, Quitten, Pflaumen erntet der Betrieb weitgehend selbst oder bezieht es aus den Hausgärten in der Nachbarschaft
  • Zusammen mit zehn Nachbarn betreibt Florian Profitlich ein eigenes Fernwärmenetz; geheizt wird mit der Abwärme der örtlichen Biogasanlage
  • 70 % des Strombedarfs wird über eine eigene Solaranlage generiert, darüber hinaus Ökostrom bezogen
  • Die Abwässer werden auf dem eigenen Grundstück in einem Pflanzenklärbeet gereinigt und für die Bewässerung der Außenanlagen wiederverwendet
  • Unvermeidbare CO2-Emissionen kompensiert der »Gutshof Kraatz« über das Projekt MoorFutures

haus

  • Für die denkmalgerechte Sanierung des Hofes wurden bewusst ökologische Materialien (Hanf, Lehmputze, Kreidefarben) und historische Baustoffe (alte Ziegelsteine, Türen, Fliesen) verwendet
  • Kurze Wege: Einen Teil der historischen Baustoffe fand der Besitzer in der Region auf Abrissbaustellen und örtlichen Ziegeleien
  • Vieles hat sich der Bauherr selbst beigebracht, sonst mit regional ansässigen Handwerksbetrieben zusammengearbeitet, die aus maximal 50 km Entfernung kamen

essen

  • In der Gutsschänke bietet das Küchenteam regionale und saisonale Köstlichkeiten aus frischen Zutaten an
  • Fleisch, Gemüse, Käse, Wurst und Brot stammen aus den umliegenden Dörfern der Uckermark und wenn möglich aus kontrolliert biologischem Anbau
  • Wichtiger als der Bio-Stempel ist für den Betreiber die Gewissheit, mit handverlesenen Produzenten zusammenzuarbeiten, die gut mit ihren Tieren und ihrem Land umgehen

mensch

  • Die Sanierungen sämtlicher Gebäude unterlagen grundsätzlich der Idee, alte Strukturen wieder ein Stück weit sichtbarer zu machen - und so vielleicht auch mögliche Nachahmer:innen zu inspirieren
  • Dass seine Mitarbeiter:innen eine faire Entlohnung erhalten, die über den Mindestlohn hinaus geht, und ihre eigenen Ideen in den Betrieb einbringen, ist für den Gastgeber eine Selbstverständigkeit.


und sonst so?

  • Im »Gutshof Kraatz« können Gäste in zwei klimaneutralen Ferienhäusern (Remise & Schwalbenhaus) übernachten
  • Die barrierefrei begehbare Remise bietet Platz für zwei bis sechs Personen mit eigenem Atelier zum Arbeiten & Bücherschreiben
  • Das Ferienhaus verfügt über ein Schlafzimmer mit Doppelbett, ein Schlafsofa für zwei Gäste in der gemütlichen Wohnküche mit Kaminofen und ein komfortables Schlafsofa im Atelier, das als zweites Schlafzimmer genutzt werden kann
  • Das Schwalbenhaus (für bis acht Personen) hat insgesamt vier Schlafzimmer, die sich über drei Ebenen verteilen, zwei Badezimmer und eine tipptopp ausgestattete Küche für ein Festessen unter Freunden oder mit der Familie; auf Anfrage füllt euch der Gastgeber den Kühlschrank mit regionalen Produkten
  • Besonders lauschig an kühleren Tagen: der Wohnbereich im Obergeschoss mit eigenem Kaminofen, Holzschaukelstühlen, Sofas und Sesseln in Originalstil der 30er Jahre
  • Beiden Häuser steht eine eigene Terrasse zur Verfügung mit gemauertem Grill und Blick in den Gutspark und den Hofgarten
  • Es fällt eine zusätzliche Endreinigungsgebühr ab 75, Euro (Remise) bzw. 85,- Euro (Schwalbenhaus) an, die abhängig ist von der Anzahl der Gäste
  • Hunde sind willkommen für eine einmalige Pauschale von 35,- Euro
  • Der Mindestaufenthalt beträgt zwei Nächte, zu Feiertagen (Ostern, Weihnachten & Silvester) und in der Hauptsaison vier Nächte
  • Das Restaurant ist zwischen Ostern und Weihnachten von Donnerstag bis Sonntag geöffnet
  • Was tun? Die hügelige Endmoränenlandschaft der Uckermark eignet sich bestens zum Wandern und Radfahren durch Wälder, zu kleinen und großen Seen, zum Kanufahren in der Feldberger Seenlandschaft
  • Kulturinteressierte finden in den umliegenden Ortschaften zahlreiche Ateliers ansässiger Künstler:innen Tipp: Mit dem Rad (vor Ort zu mieten!) erreicht man in knapp 20 Minuten den Buchladen Fürstenwerder (6 km entfernt) und kann dort in aller Seelenruhe Kaffee trinken, lesen, stöbern, entdecken, schmökern und rausgucken


Fotos

© Florian Profitlich