Reisen mit Abstand: hier geht's - Teil 2: Das Unterallgäu
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Ihr habt es wahrscheinlich auch schon gehört. Kilometerlange Warteschlangen auf dem Weg nach Sylt und wild zugestellte Wanderparkplätze im bayerischen Voralpenland. Gelinde gesagt, es brodelt im Kessel. Und dabei hat die Hauptreisezeit noch gar nicht begonnen. Vielleicht ein Zeichen, sich jetzt mal ernsthaft mit den Alternativen für Reisen mit Abstand auseinanderzusetzen. Tut nicht nur dem Gemüt gut, sondern auch der Umwelt. Die gute Nachricht: Man muss sich nicht gleich komplett vom Reisen in die beliebten Urlaubsregionen verabschieden. Manchmal reicht es sogar schon, den Blickwinkel zu vergrößern oder ein wenig um die Ecke zu denken.
Eine Möglichkeit, die schon einen gewaltigen Unterschied macht: Hauptstoßzeiten vermeiden. Warum nicht einfach den geplanten Ausflug vor das Frühstück legen. Wie bitte? Im Ernst? Bei Nacht und Nebel aufstehen und losziehen - ohne Frühstück? Jip, genau so! Wer einmal mit Kaffee und Stulle im Gepäck der aufgehenden Sonne entgegen gewandert ist, der weiß: ein einzigartiges Erlebnis. Und das Mittagsschläfchen im Anschluss: für viele der eigentliche Gipfelgenuss. Denn genau dafür ist Urlaub ja da. Gewohnheiten einfach mal ablegen. Sich den unbezahlbaren Luxus kleiner Freunden erlauben, für die im Alltag oft gar keine Zeit ist.
Und muss es eigentlich immer das Hotel mitten in den Bergen sein? Fakt ist: aus der Entfernung ist die freie Sicht auf Berge oft reizvoller als eine schroffe Felswand direkt vor der eigenen Nase. Womit wir für 'Reisen mit Abstand' auch schon bei Tipp Nr. 2 wären - dem Unterallgäu.
NACHHALTIG REISEN MIT ABSTAND - TEIL 2: URLAUB IM UNTERALLGÄU
Vor einer gefühlten Ewigkeit habe ich Tourismus studiert - und zwar im Allgäu. Genauer gesagt in Kempten, was sich grob betrachtet in der geographischen Mitte des Allgäus befindet. Nach der Vorlesung gab es für uns nur zwei erstrebenswerte Ziele. Mit den Skiern auf den nächsten Berg oder zum Baden an den See - südlich von Kempten versteht sich. Kamen die Eltern zu Besuch, gingen wir samstags zum Würstlessen auf den Kemptner Wochenmarkt, am Nachmittag mit der Seilbahn auf den Mittag bei Immenstadt oder zum Tretbootfahren an den Alpsee. Sonntags stand ein Besuch im Schloss Neuschwanstein auf dem Programm. Dem nördlichen Teil des Allgäus - dem Unterallgäu - haben wir kaum Beachtung geschenkt. Okay, es gab da diesen einen angesagten Club. Aber für mehr 'kulturelles' Interesse hat es damals irgendwie nicht gereicht.
Unter Urlaub im Unterallgäu verstand ich sogar noch bis vor kurzem - hüstel! - einen Aufenthalt in einer Kur- oder Reha-Einrichtung. Und tatsächlich ist die größte Stadt im Landkreis: Bad Wörishofen - die Mutter aller Kneippkurorte. Warum das Unterallgäu - eine von vier Regionen im Allgäu - aber noch viel mehr zu bieten hat, das habe ich mir von Julia Staudinger erklären lassen. Zusammen mit ihrem Mann Michael betreibt sie in Illerbeuren - dem südlichsten Zipfel des Unterallgäus - das charmante Bed & Breakfast-Hotel 'D'KAMMER'.
EIN KLEINES BISSCHEN SCHWEDEN
HIERSEIN: Julia, was macht das Unterallgäu Deiner Ansicht nach so besonders?
JULIA: Im Gegensatz zum Oberallgäu haben wir es hier viel ruhiger. Das Unterallgäu zeichnet sich vor allem durch seine abwechslungsreiche Natur und Ursprünglichkeit aus. Hohe Berge findet man zwar nicht, dafür aber sanfte, saftig grüne Hügel. Vor kurzem sind mit den Kids einfach mal von unserer Haustür aus losgelaufen. Irgendwann standen wir auf einem dieser Hügel und hatten eine so grandiose Aussicht, dass es uns schlicht die Sprache verschlagen hat. Direkt vor uns lag die komplette Bergkette der Allgäuer und Ammergauer Alpen! Diese unbeschreibliche Weite, die man hier zu sehen bekommt, ist ein sehr eindrückliches Erlebnis. Auch für uns, obwohl wir die Gegend ja eigentlich bestens kennen. Und ganz ehrlich: wenn Du in die Bergen zum Wandern gehst, dann siehst Du erst einmal nur den Weg. Und der führt immer nur bergauf. Der eigentliche Genuss kommt erst viel später.
Wir nutzen gerade die ruhige Zeit, um für unsere Gäste Routen auszuarbeiten, die wir selbst erkunden. Es sollen Touren sein, die man direkt von hier zu Fuß oder mit dem Rad in ein bis drei Stunden unternehmen kann. Eine richtig schöne Wanderung führt entlang der Iller durchs Unterholz. Folgt man dem Flusslauf, dann tun sich praktisch hinter jeder Ecke neue Landschaftsbilder auf. Mal ist der Fluss ganz schmal, zwischendurch gibt es Staustufen und im nächsten Moment ist man von hohen Lehmwänden umgeben. Das ist besonders beeindruckend, wenn Du mit dem Kanu die Iller entlangpaddelst. Manchmal erinnert die Landschaft dann sogar ein bisschen an Schweden. Und geht man ganz in der Früh los, begegnet man den unterschiedlichsten Tieren, wie z.B. Rehen, Hasen, Raubvögeln, Schwänen und Enten. Auch wir Erwachsene freuen uns da wie die kleinen Kinder über diese schönen Tiererlebnisse.
BAROCK, BERGKÄS, BODENSEE
HIERSEIN: Julia, was empfehlt Ihr Euren Gästen, die zum ersten Mal im Unterallgäu Urlaub machen?
JULIA: Man sollte unbedingt aktiv sein! Es gibt nämlich richtig viel zu sehen. Wir erleben immer wieder, dass Gäste ganz oft überrascht sind, wie groß hier die Auswahl an sehenswerten Plätzen ist - prächtige Schlösser, alte barocke Kirchen und Klöster und hübsche mittelalterliche Städtchen. Ich empfehle auch gerne einen Besuch in Memmingen. Dort findet jede Woche ein Markt statt, auf dem man die große Vielfalt der Produkte von Bauern aus der ganzen Region entdecken kann. Von dort ist es auch nicht mehr weit zum Kloster Buxheim. Ein ehemaliges Kloster der Kartäuser. Und wer noch mehr Abwechslung braucht, der ist sogar in nur 45 Minuten mit dem Auto in Lindau am Bodensee.
VIEL MEHR ALS NUR EIN KNEIPP-URLAUB
HIERSEIN: Was würdest Du sagen? Welche Urlauber fühlen sich im Unterallgäu besonders wohl?
JULIA: Für Familien mit Kindern ist das Unterallgäu eine ideale Urlaubsregion. Man kann hier wandern gehen, ohne sich gleich Bergschuhe anziehen zu müssen. Und die Kinder haben Spaß, weil die Landschaft so abwechslungsreich ist und die Wege selten zu steil werden. Es gibt ja nicht nur die Iller, sondern auch kleine Seen und Teiche, in die man im Sommer fast ungestört und vor allem - wichtig für die ganz Kleinen! - ohne Risiko hineinspringen kann. Auch Radfahrer haben das Unterallgäu schon lange für sich entdeckt. Unser B&B befindet sich genau in der Mitte des Iller-Radweges auf dem Weg von Ulm nach Oberstdorf und auf der Allgäu-Radrunde. Die Gäste können sich bei uns auch jederzeit Radkarten für Tagestouren in die Umgebung ausleihen. Auch ein Trend, der sich abzeichnet: immer mehr Urlauber kommen aus nördlichen Großstädten. Sie empfinden es als besonders wohltuend, dass hier einfach weniger Touristen unterwegs sind. Sie schätzen die leichteren Touren durch das satte und saftige Grün der Wiesen und Wälder und die Nähe zu den Bergen.
KULINARISCHES ALLGÄU
HIERSEIN: Welche regionale Spezialität sollte jeder Urlauber wenigstens einmal probieren?
JULIA: Natürlich die Allgäuer Kässpatzen. Wobei das jetzt im eigentlichen Sinne keine Unterallgäuer Spezialität ist. Durch die Nähe zu Oberschwaben spielt hier sehr viel die schwäbische Küche rein. Beliebt sind da vor allem Gerichte mit Kraut in allen Varianten, wie z.B. Krautkrapfen und Krautnudeln.
GEHEIMNIS UM ... DEN LIEBLINGSPLATZ
HIERSEIN: Würdest Du uns deinen Lieblingsplatz im Unterallgäu verraten?
JULIA: Es gibt da eine ganz bestimmte Stelle an der Iller mit einer Bank, die direkt am Wasser steht. Ein unglaublich idyllischer und friedlicher Platz. Wo das genau ist? Das möchte ich lieber nicht verraten. Seinen persönlichen Lieblingsplatz im Unterallgäu hat bisher noch jeder Urlauber hier gefunden.
HIERSEIN sagt Vergelt's Gott, liebe Julia, für die schönen Einblicke in Deine Heimat, die Du uns mit diesem Interview gegeben hast.
MEIN FAZIT
Der Vergleich ist verlockend: das Unterallgäu als eine Art Light-Variante für 'Urlaub in den Bergen'. Es ist fast so, als betrachte man die Berge wie durch einen sanften Schleier. Und tatsächlich nimmt das Kantige und Schroffe aus der Entfernung beinahe weiche und glatte Formen an. Das Unterallgäu hat eine historisch gewachsene Kulturlandschaft, die sich einfach zu Fuß, mit dem Rad und sogar von Wasser aus erkunden lässt. Allzu viel schweißtreibende Höhenmeter muss man dabei nicht absolvieren. Und nicht nur an verregneten Tagen locken Ziele wie die eindrucksvolle Barockkirche in Ottobeuren.
Ich finde: eine perfekte Balance zwischen moderater Aktivität, vielseitiger Abwechslung und Erholung pur in einer Region, die noch nicht vom Tourismus überlaufen ist. So geht nachhaltiges Reisen mit Abstand wirklich ganz gut. Wen es trotzdem juckt, ein bisschen Oberallgäuer Luft zu schnuppern - den Würstlestand auf dem Kemptener Wochenmarkt gibt es immer noch. Und das schon seit über 70 Jahren!